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Besonders gefährdet

Zur mentalen Gesundheit von Doktorand*innen

Podcast GLÜCKLICH PROMOVIEREN: Episode #139

Podcast Dissertation
Mentale Gesundheit beim Promovieren

Promovieren und mental gesund sein/bleiben?

Gar nicht so leicht. Als Promovierende stehst du vor vielfältigen Herausforderungen, die deine mentale Gesundheit beeinflussen. Im Podcast und Artikel beleuchte ich, warum du als Promovierende besonders gefährdet bist und wie die Pandemie die Situation verschärft hat. Geschlechterspezifische Unterschiede werden aufgedeckt, und es gibt praktische Tipps wie du deine mentale Gesundheit als Promovend*in fördern kannst.

Mentale Gesundheit: Mehr als die Abwesenheit von Krankheit

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO 2003: 7) definiert Gesundheit und damit auch mentale Gesundheit als mehr als nur die Abwesenheit von Krankheiten. Es handelt sich vielmehr um einen Zustand des „physischen, geistigen und sozialen Wohlbefindens“. In Bezug auf mentale Gesundheit schließt das ein „subjektives Wohlbefinden“ ebenso ein wie das Gefühl von Selbstwirksamkeit und Kompetenz. Ebenso von Bedeutung ist die Fähigkeit, mit den „normalen Belastungen des Lebens“ umgehen zu können.

Es ist entscheidend zu verstehen, dass mentale Gesundheit nicht nur Menschen betrifft, die bereits psychische Probleme haben, sondern uns alle.

(Die Quelle findest du zusammen mit allen anderen zitierten Quellen am Ende des Textes.)

Inwiefern Promovierende besonders gefährdet sind: Die flämische Studie

Promovierende stehen vor zahlreichen Herausforderungen, die ihr mentales Wohlbefinden beeinflussen können. Prekäre Arbeitsbedingungen, finanzielle Unsicherheiten, das umfangreiche Promotionsprojekt und die hierarchischen Beziehungen zu Betreuer*innen sind nur einige Beispiele. Toxische Betreuungspersonen können die Situation noch verschlimmern.

Eine Studie aus Flandern, Belgien, zeigt, dass viele Promovierende psychische Probleme haben (Levecque et al. 2017). Die Forschergruppe hatte 2013 über 3600 Doktorand*innen zu ihrer mentalen Gesundheit befragt. Diese Studie offenbart einige interessante Aspekte, auch wenn die Erkenntnisse voraussichtlich nicht eins zu eins auf den deutschen Kontext übertragen werden können und die Studie schon ein paar Jahre vor Corona durchgeführt wurde. Später mehr dazu inwiefern sich die Pandemie auf die mentale Gesundheit von Promovierenden ausgewirkt hat.

Zunächst aber zu den Ergebnissen der Studie aus Flandern (S. 875, Tabelle 4):

  • Über 40% der Befragten gaben ständigen Druck an.
  • Über 30% waren unglücklich und depressiv.
  • Fast genauso viele hatten Schlafprobleme vor lauter Sorgen.
  • Ein Viertel verlor die Freude an alltäglichen Aktivitäten.
  • Ein knappes Viertel verlor das Selbstvertrauen.
  • Über 16% fühlten sich wertlos.

Über die Hälfte der Befragten Doktorand*innen hat mindestens ein Symptom aufgezeigt, knapp ein Drittel der Befragten sogar vier oder mehr. Laut dieser Studien sind Doktorand*innen in Flandern 2,4x so gefährdet, eine psychiatrische Störung zu entwickeln als andere hochgebildete Personen. (S. 877)

Befragung Promovierende

Die Auswirkungen der Pandemie auf die mentale Gesundheit Promovierender

Die Ergebnisse der Studie in Flandern liegen zwar einige Jahre zurück, aber es ist anzunehmen, dass sich die Situation nicht wesentlich verbessert hat. Die Pandemie hat die mentale Gesundheit von Promovierenden weiter negativ beeinflusst, wie eine Berliner Studie zeigt (Naumann et al. 2022).

Im Gegensatz zur flämischen Studie, wurde in der Berliner Studie abgefragt, ob schon vor Beginn der Promotion psychische Probleme auftraten. Das ist wichtig, weil sonst auch die Möglichkeit besteht, dass vielleicht genau die Menschen, die sowieso schon gefährdet sind für psychische Probleme, eine Doktorarbeit beginnen. Dann lägen die Probleme also in den Voraussetzungen der Promovierenden und nicht im akademischen System.

Die Ergebnisse der Berliner Studie:

Bei 16% der Befragten Doktorand*innen der Berliner Studie war schon vor der Promotion per Diagnose eine psychische Störung festgestellt worden. Fast die Hälfte der Doktorandinnen, die schon vorab eine diagnostizierte psychische Störung hatten, sagte, dass sie während der Promotion eine weitere Störung diagnostiziert bekamen. (S. 2)

Vom Rest, also von denen, die angaben, vor der Promotion keine diagnostizierte psychische Störung gehabt zu haben, gaben 13% an, dass im Verlauf der Promotion eine festgestellt wurde. (S. 2)

Auf die Frage, ob die Promotion mit den psychischen Problemen in Zusammenhang stehe, antworteten 51% Ja, 13% führten ihre Probleme auf die Pandemie zurück und 10% auf andere Ursachen. (S. 4, Abbildung 2)

Laut Selbsteinschätzung sank die Zufriedenheit mit der Promotion während der Pandemie, die Befragten schätzen sich im Rückblick vor der Pandemie als zufriedener ein als zum Befragungszeitpunkt. (S. 5, Abbildung 4)

Mehr als Dreiviertel gaben an, dass ihr generelles Wohlbefinden durch die Pandemie sich verschlechtert habe. (S. 5, Abbildung 5)

Die Zufriedenheit der befragten Doktorand*innen hat am stärksten abgenommen in den Bereichen Arbeitsbedingungen und Arbeitsumfeld, wobei die Work-Life-Balance noch schlechter eingeschätzt wird als die Arbeitsbedingungen, was daran liegt, dass die Unzufriedenheit da vor der Pandemie schon größer war. (siehe S.5f)

Solltest du selbst zu dem Thema forschen, kannst du gerne deine Studien über die Kommentarfunktion mit uns teilen oder auch andere relevante Studien zu dem Thema.

Geschlechterspezifische Unterschiede

Jetzt kommen wir noch zu einem sehr spannenden Punkt, und zwar inwiefern das Geschlecht eine Rolle spielt, wenn es um die psychische Gesundheit von Doktoranden und Doktorandinnen geht.

Sowohl die flämische als auch die Berliner Studie haben geschlechterspezifische Unterschiede gefunden.

Bei der Studie aus Flandern war es so, dass Frauen eindeutig mehr Symptome nannten, von denen sie betroffen sind, als Männer. Die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens zwei Symptome genannt wurden, war für Frauen ganze 34% höher, die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens 4 Symptome genannt wurden, war für Frauen 27% höher (S. 875).

Die Berliner Studie fand heraus, dass Männer höhere Werte bei Angst und Depression hatten, Frauen dagegen höhere Werte, was Burnout angeht (S. 6)

Was kannst du tun, um deine mentale Gesundheit zu fördern?

Ein auf der Website von Forschung & Lehre publizierter Artikel mit dem Titel “Immatrikulation, Dissertation, Depression” (Margraf 2022) gibt einige wertvolle Tipps, wie du deine mentale Gesundheit fördern kannst.

Bewege dich

Bewege dich und zwar nicht nur körperlich, sondern auch psychisch und emotional. Als Beispiele für psychische Bewegung nennt Margraf “Lesen, sich geistigen Herausforderungen stellen, Neues ausprobieren” und als Beispiele für emotionale Bewegung “Aufbau und Pflege von Beziehungen, Gefühle wahrnehmen und ausleben”.

Eine Portion Freude pro Tag

Sorge dafür, dass du jeden Tag mindestens eine schöne Sache für dich tust. Das muss nichts Weltbewegendes sein, aber sollte Spaß und Freude in deinen Alltag bringen. Wie wäre es mit einer ausgedehnten Kaffeepause in der Sonne auf dem Balkon? Oder für die kalte Jahreszeit einem warmen Schaumbad mit Kerzen und angenehmer Musik?

Die 3:1 Regel

Deine positiven Emotionen sollten die negativen deutlich überwiegen. Jedes negative Gefühl solltest du mit mindestens drei positiven ausgleichen. Es geht dabei nicht darum, negative Gefühle zu verleugnen, aber zum Beispiel durch ein positives Framing von Erlebtem das beschriebene Verhältnis zu wahren. Warum? Weil du sonst laut Margraf eine erhöhte Gefahr hast, eine Depression zu bekommen.

In dieser Episode genannte Quellen & Ressourcen (in der im Artikel genannten Reihenfolge – Stand & letzter Zugriff: 18.10.2023):

Department of Mental Health and Substance Dependence, Noncommunicable Diseases and Mental Health, World Health Organization, Geneva (2003): Investing in Mental Health.

Levecque, Katia; Anseel, Frederik; Beuckelaer, Alain; Van der Heyden, Johan & Gisle, Lydia (2017): Work organization and mental health problems in PhD students. Research Policy 46. 10.1016/j.respol.2017.02.008.

Naumann, Sandra; Matyjek, Magdalena; Bögl, Katharina & Dziobek, Isabel (2022): Doctoral researchers’ mental health and PhD training satisfaction during the German COVID-19 lockdown: results from an international research sample. Sci Rep 12, 22176 (2022). https://doi.org/10.1038/s41598-022-26601-4.

Margraf, Jürgen (2022): Immatrikulation, Dissertation, Depression? Online auf Forschung & Lehre erschienen.

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Hallo, ich bin Dr. Marlies Klamt!

Jahrelang habe ich selbst nach einem Weg gesucht, glücklich und zufrieden zu promovieren. Ich musste meine eigene Dissertation sogar 2x schreiben, bis ich ihn gefunden habe. Im zweiten Anlauf war ich nicht nur nach 9 Monaten fertig, sondern hatte die beste Work-Life-Diss-Balance meiner gesamten Promotionszeit.

Heute unterstütze ich Doktorandinnen wie dich durch Coachings, Kurse und meinen Podcast "Glücklich promovieren". Ich glaube fest daran, dass alle Superkräfte, die du für eine glückliche Promotion brauchst, bereits in dir schlummern. Lass sie uns gemeinsam wecken!

Dr. Marlies Klamt