Wie du deine Dissertation richtig gliederst und damit ganz nebenbei deinen Schreibprozess optimierst
Ein Gastartikel von Dr. Claudia Macho
Eine Dissertation ist unbestreitbar eines der komplexesten Textprojekte, die du jemals verfolgen wirst. Das kann aufregend sein – aber ja: manchmal auch ganz schön einschüchternd.
Denn wie legst du für einen so umfangreichen Text überhaupt eine sinnvolle Gliederung fest? Wie verbindest du die unzähligen einzelnen Gedanken und Inhalte zu deinem Forschungsthema zu einem stimmigen Ganzen? Und wie kommt der Text deiner Dissertation richtig aufs Papier?
Im vorliegenden Artikel möchte ich genau diese Fragen für dich beantworten.
Du erfährst hier:
- welche Abschnitte jede Dissertation enthält – ganz egal in welcher Disziplin sie geschrieben wird
- welche zwei wichtigen Textklammern durch eine Dissertation verlaufen und wie du sie dir zunutze machst, um die Abschnitte und Kapitel deiner Dissertation richtig zu gliedern
- an welchen Textteilen du zu schreiben beginnen willst, um deinen Schreibprozess von Anfang an optimal zu unterstützen
Der typische Aufbau einer Dissertation
Der Text einer Dissertation hat grundsätzlich vier Abschnitte. Diese Abschnitte sind:
- Einleitung
- Theorie/Grundlagen/Stand der Forschung
- Eigenständige Forschung
- Diskussion/Conclusio/Fazit
(Um diese Textteile herum finden sich natürlich noch Vorwort, Abstract, Danksagung, diverse Verzeichnisse usw., aber wir wollen uns hier im Weiteren auf den Textteil als solchen konzentrieren.)
Lass uns doch einmal zwei Möglichkeiten ansehen, wie sich diese Abschnitte in einem Inhaltsverzeichnisse darstellen können – denn dann kommen sie dir sicher gleich bekannter vor!
1.) In naturwissenschaftlichen, technischen und quantitativen Forschungsarbeiten verläuft der Textaufbau typischerweise nach dem IMRAD-Schema.
- Introduction (Einleitung + Theorie)
- Methods (Forschung)
- Results (Forschung)
- And
- Discussion (Conlusio)
NOCH KEIN ZEITPLAN FÜR DIE DISSERTATION?
- ) In einer analytischen Arbeit, wie sie in den Geistes- und Sozialwissenschaften häufig zu finden ist, wäre eher ein Aufbau wie hier zu erwarten:
- Einleitung (Einleitung)
- Stand der Forschung/Theorie (Theorie)
- Analyse Aspekt 1 (Forschung)
- Analyse Aspekt 2 (Forschung)
- Analyse Aspekt 3 (Forschung)
- Conclusio (Conclusio)
Generell lässt sich dabei festhalten, dass naturwissenschaftliche und technische Disziplinen sowie quantitative Forschungsarbeiten einem eher strikten Textaufbau folgen, während Dissertation z.B. in den Geistes- und Sozialwissenschaften vor allem im Hauptteil deutlich individuellere Formen haben können. (Und freilich sind die oben dargestellten Gliederungen nur Beispiele und der Aufbau deiner Dissertation könnte nochmal etwas anders aussehen.)
Was aus dieser knappen Darstellung aber jedenfalls ersichtlich wird, ist, dass die vier großen Textabschnitte Einleitung – Theorie – Forschung – Conclusio unterschiedlich verpackt sein können.
Sie tragen vielleicht unterschiedliche Bezeichnungen, sie können mal ausführlicher oder knapper ausfallen oder durch weitere Abschnitte ergänzt werden. (Siehe dazu auch Podcastfolge #93 zum Aufbau einer Dissertation, in der noch ausführlicher beleuchtet wird, warum diese Textabschnitte nicht in jedem Inhaltsverzeichnis so klar zu erkennen sind.)
Was aber wichtig ist: sie begegnen uns in JEDER seriösen Forschungsarbeit. Und das egal, ob es sich dabei um eine Arbeit der Radiologietechnologie, der Vergleichenden Literatur oder der Soziologie handelt.
Wir halten an dieser Stelle also einmal fest: die Abschnitte Einleitung – Theorie – Forschung – Conclusio werden auch in DEINER Dissertation vorkommen müssen. Es liegt aber trotzdem an dir als Autor*in, wie du sie im Text praktisch umsetzt, d.h. wie du sie in einzelne Kapitel untergliederst und mit konkreten Inhalten füllst.
Genau darum wollen wir uns im Weiteren kümmern.
Denn bei den meisten Promovierenden stellt sich hier – eher früher als später – die Frage: wie gliedere ich denn nun meine Dissertation am besten? Und mit welchem Teil beginne ich dann zu schreiben?
Textaufbau und -gliederung deiner Dissertation systematisch planen
Um die Frage zu beantworten, wie sich die Gliederung deiner Dissertation systematisch planen und umsetzen lässt, müssen wir uns zuerst einmal ansehen, wie die einzelnen Abschnitte der Dissertation tatsächlich miteinander in Verbindung stehen.
Durch den Textaufbau verlaufen nämlich zwei wichtige Klammern.
Die eine Textklammer verbindet die Einleitung mit der Conclusio. Diese beiden Abschnitte müssen in sich geschlossen alles Wesentliche enthalten, was es über deine Forschung zu sagen gibt. Ihre Inhalte ergänzen und vervollständigen einander – nur miteinander ergeben sie wirklich Sinn.
Für dich bedeutet das beim Schreiben, dass diese beiden Textteile mit bewusstem Blick auf den jeweils anderen verfasst werden müssen. Fragen, die du in der Einleitung aufwirfst, müssen direkt und unmissverständlich in der Conclusio wieder aufgegriffen und beantwortet werden. Gegengleich sollten wesentliche Erkenntnisse der Conclusio bereits in der Einleitung anvisiert und in Aussicht gestellt werden.
Die zweite wichtige Textklammer verbindet den Theorieteil deiner Arbeit mit dem Forschungsteil: auch diese beiden sind inhaltlich eng miteinander verzahnt und auch dies hat entscheidende Auswirkungen auf dein Schreiben.
Der Theorieteil ist nämlich – entgegen einem häufigen Missverständnis! – nicht dazu da, ALLES darzustellen, was jemals zu deinem Forschungsthema geschrieben wurde, sondern ganz konkret nur das zu akzentuieren, was als Grundlage für deine eigene Forschung unerlässlich ist.
Deine Leser*innen sollten aus dem Theorieteil die essentiellsten Ansätze, Definitionen oder Konzepte mitnehmen und verstehen, die sie brauchen werden, um deinen weiteren Ausführungen im Forschungsteil folgen zu können und deine eigenständige Forschung richtig im Fachdiskurs verorten zu können. Nicht mehr und nicht weniger.
Um noch besser zu verdeutlichen, was ich damit meine, vergleiche ich den Theorie- und Forschungsteil einer wissenschaftlichen Arbeit gerne mit einem Haus und seinem Fundament. Die Theorie ist das Fundament, das du legen musst, um darauf solide ein Haus – deine eigenständige Forschung – bauen zu können.
Beim Hausbau musst du weder ein Fundament in Größe eines Fußballfeldes legen, um darauf ein Einfamilienhaus zu bauen, noch kannst du dein Einfamilienhaus auf drei lose Bretter stellen.
Umgelegt auf eine Forschungsarbeit heißt das: der Forschungsteil sollte inhaltlich nur so weit gehen, wie er theoretisch gut fundiert wurde, gleichzeitig sollte aber auch der Theorieteil nur so weit gehen, wie er für die darauf aufbauende Forschung tatsächlich relevant sein wird.
Was bedeutet das alles nun für dich?
Das Wissen über diese beiden wichtigen Textklammern willst du unbedingt im Hinterkopf behalten, wenn du dich an die Planung der einzelnen Textabschnitte und Kapitel deiner Dissertation machst. Denn genau hier liegt die Antwort verborgen, wie du die Gliederung deiner Dissertation aufziehen musst – und an welchem Teil du zu schreiben beginnen willst!
Die Strukturierung einer Dissertation muss nämlich immer beim Abschnitt deiner eigenständigen Forschung beginnen, bei der Frage, wie du vorhast deine Forschung umzusetzen und für andere nachvollziehbar darzulegen.
Worum geht es in deinen Untersuchungen? Wie gehst du hier vor? Worauf wirst du dich besonders konzentrieren? Welche inhaltlichen Schwerpunkte setzt du? Was willst du deinen Leser*innen präsentieren und näherbringen?
Aus den Antworten auf diese Fragen ergibt sich der Aufbau, den dein Text im Abschnitt „Eigenständige Forschung“ haben muss.
Untersuchst du z.B. 3 konkrete Fallbeispiele? Dann wird sich der Forschungsteil deiner Arbeit am besten in drei Kapitel gliedern, in denen du jeweils ein Fallbeispiel behandelst und analysierst.
Untersuchst du eine chronologische Entwicklung? Dann wirst du in deinem Forschungsteil die verschiedenen Phasen dieser Chronologie darstellen wollen, d.h. ein Kapitel für jede Periode vorsehen, die du beleuchtest.
Untersuchst du Einzelaspekte eines übergeordneten Konzepts oder Themas? Dann lässt sich dein Forschungsteil wohl am besten entlang dieser Aspekte gliedern und aufschlüsseln.
Hier, in Schritt 1 im Gliederungsprozess deiner Dissertation, geht es also einmal darum, eine Linie zu entwickeln, wie du deine eigenständige Forschungsarbeit in 3-5 Kapiteln untergliedern und darstellen willst.
Wenn du deinen Forschungsteil nämlich stimmig aufgebaut hast, kannst du davon ausgehend auch fundiert festlegen, welche theoretischen Grundlagen und Hinleitungen du dafür im Theorieteil wirklich brauchen wirst (du erinnerst dich: wie breit und tief dein theoretisches Fundament sein muss).
Du kannst nun also als nächstes überlegen, welche theoretischen Konzepte, welche Grundlagen des Forschungsstandes, welche Definitionen, Modelle etc. in deinem Text unbedingt erläutert werden müssen, um deine Forschung verständlich und wissenschaftlich fundiert zu machen. Du weißt jetzt ja, worauf dein Theorieteil zulaufen wird und welche Inhalte du hier tatsächlich behandeln wirst wollen.
Und du vermeidest damit einen DER klassischsten Fehler in Dissertationsprojekten – mehr dazu gleich…
Was die Gliederung deiner Dissertation mit deinem Schreibprozess zu tun hat
Aus dem eben Dargestellten ergibt sich nicht nur eine Reihenfolge, nach der du die Kapitel deiner Dissertation grob planen und gliedern solltest – sondern auch die Reihenfolge, in der der Text der einzelnen Kapitel am besten entstehen sollte.
Vielleicht hast nämlich auch du von deiner Betreuungsperson aufgetragen bekommen, erst einmal die Einleitung und den Theorieteil fertigzustellen, bevor du dich an die weiteren Textteile machst. Aber das ist aus schreibdidaktischer Sicht ziemlich unklug, wenn nicht sogar schlichtweg falsch!
Einleitung und Theorieteil REAGIEREN nur auf den Fokus, den du in deiner eigenständigen Forschung legst.
Schreibst du sie zu früh (noch bevor du wirklich weißt, wie du deine Untersuchungen oder Analysen ganz konkret durchführen willst und was dich dort inhaltlich erwartet), führen sie dich unweigerlich in zwei Gefahren:
- du recherchierst, liest und schreibst völlig ziellos, verlierst dich immer mehr im Themenfeld und kannst nie fundiert entscheiden, wo du inhaltliche Grenzen ziehen musst (Was ist wirklich relevant für deine Arbeit, was führt zu weit weg?)
- du wirst möglicherweise vieles, das du jetzt unter großem Zeit- und Arbeitsaufwand erarbeitest, später wieder verwerfen müssen, weil es sich doch als nebensächlich erweist oder deine praktische Forschung im Lauf der Zeit noch andere, viel wichtigere Zugänge oder Fragen aufzeigt, die du noch aufnehmen musst
Natürlich wirst du dich schon von Beginn deines Projekts an mit theoretischen Konzepten, mit Grundlagen, Definitionen oder verschiedenen Zugängen zum Thema vertraut machen. Du wirst Literatur recherchieren und lesen. Und du wirst jetzt vielleicht auch schon erste Ideen und Überlegungen dazu sammeln, wie bestimmte Inhalte im Theorieteil deiner Arbeit schlüssig dargestellt werden könnten.
ABER – und das ist wichtig! – das Konzipieren und Schreiben deines Gesamttextes sollte nicht bei der Einleitung und auch nicht bei der Theorie, sondern immer bei deinem Forschungsteil beginnen!
Erst wenn du diesen richtig greifen kannst und weißt, wie du hier ganz konkret vorgehen wirst (sowohl bei der Durchführung deiner Forschung als auch beim Verschriftlichen deiner Ergebnisse), kannst du davon ausgehend die angrenzenden Textabschnitte Theorie und Fazit seriös planen und deinen Schreibprozess zielgerichtet umsetzen.
Meine abschließende Empfehlung lautet also: solltest du noch keine solide Gliederung für deine Dissertation aufgesetzt haben (vielleicht, weil du bisher dachtest „Ich bin noch nicht so weit!“) oder damit noch nicht so richtig zufrieden sein, nimm dir doch einmal bewusst Zeit dafür.
Du wirst sehen, wie diese strukturierenden Schritte mehr Klarheit in dein Vorgehen im Forschungsprozess bringen werden – und damit letztlich auch in dein Schreiben!
Dr. Claudia Macho
Schreib- und Textcoach
Dr. Claudia Macho ist Schreib- und Textcoach für Wissenschaftler*innen und unterstützt Promovierende dabei, ihre wissenschaftliche Schreibkompetenz zielgerichtet zu professionalisieren und die Dissertation mit Klarheit, Struktur und Freude zu Papier zu bringen
Mehr Infos: www.claudiamacho.at
Wer steckt hinter der Promotionsheldin?
Hallo, ich bin Dr. Marlies Klamt!
Jahrelang habe ich selbst nach einem Weg gesucht, glücklich und zufrieden zu promovieren. Ich musste meine eigene Dissertation sogar 2x schreiben, bis ich ihn gefunden habe. Im zweiten Anlauf war ich nicht nur nach 9 Monaten fertig, sondern hatte die beste Work-Life-Diss-Balance meiner gesamten Promotionszeit.
Heute unterstütze ich Doktorandinnen wie dich durch Coachings, Kurse und meinen Podcast "Glücklich promovieren". Ich glaube fest daran, dass alle Superkräfte, die du für eine glückliche Promotion brauchst, bereits in dir schlummern. Lass sie uns gemeinsam wecken!
Lust auf Podcast?
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