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Interdisziplinäre Promotion?

Finger weg!

Interdisziplinäre Promotion

Du überlegst dir, interdisziplinär zu promovieren? Tue es nicht! Okay, ich gebe es zu, eine interdisziplinäre Doktorarbeit zu schreiben hat seinen Reiz. Aber leider kommt sie auch mit einer gehörigen Portion auf Fallstricke daher, auf die du dich vorbereiten solltest. In dieser Episode teile ich mit dir, was eine interdisziplinäre Promotion ist und warum sie besonders herausfordernd ist.

In dieser Episode erwähnte Podcast-Episode:

Episode 66: Dissertationsthema und Berufswunsch

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Interdisziplinäre Promotion? Finger weg!

Meine Geschichte

Heute will ich mit dir teilen, warum ich dir davon abrate, interdisziplinär zu promovieren. Und das, obwohl ich selbst eine interdisziplinäre Doktorarbeit geschrieben habe.

Kurz zu meiner Geschichte. Ich habe Filmwissenschaften und Publizistik studiert und zwar noch auf Magister. Meine eigene Dissertation habe ich m Fach Journalismus geschrieben.

Meine Doktorarbeit hat sich aber inhaltlich nicht nur mit kommunikationswissenschaftlichen und filmwissenschaftlichen Fragestellungen beschäftigt. Sondern sie hat sich auch auf viele Theorien und Ansätze gestützt, mit denen ich in meinem Studium komplett gar nichts zu tun gehabt hab:

  • Intersektionalitäts-Ansatz
  • Postcolonial Studies
  • Critical Studies of Whiteness

Das waren alles Ansätze und Theorien, die komplex und wirklich groß sind und in die ich mich von Null an selbst einarbeiten musste und die wirklich zentral für meine Arbeit waren.

Dazu kam dann noch, dass quasi die Voraussetzung einer Promotion bei meinem Doktorvater war – der im Übrigen was das Inhaltliche anging zum Glück sehr offen war – dass ich mit einer von ihm entwickelten oder weiterentwickelten Methodik arbeite. Von dieser hatte ich – 3x darfst du raten – vor Promotionsbeginn noch nicht mal gehört.

Ich weiß also, wovon ich spreche, wenn ich dir von interdisziplinären Doktorarbeiten abrate. Keine Angst, ich will dich mit dieser Episode auch nicht komplett abschrecken, wenn du dir in den Kopf gesetzt hast, interdisziplinär zu promovieren.

Aber die interdisziplinäre Promotion hat einfach so ihre Fallstricke. Und leider sind sich viele Doktorandinnen vor Promotionsbeginn nicht bewusst, dass diese existieren oder nehmen sie nicht ernst genug. Und ich will, dass du weißt, worauf du dich einlässt.

Was ist eine interdisziplinäre Dissertation überhaupt?

Inter bedeutet zwischen, d.h. interdisziplinär bedeutet zwischen zwei oder mehreren Disziplinen liegend. Eine interdisziplinäre Promotion liegt also zwischen zwei oder mehreren Disziplinen. D.h., sie benutzt Methoden, Herangehensweisen und Theorien aus verschiedenen Fachrichtungen.

Und daraus ergibt sich auch direkt die Antwort auf die Frage, warum ich dir rate, nicht interdisziplinär zu promovieren.

Warum solltest du nicht interdisziplinär promovieren?

Weil du dich statt mit einer Disziplin mit mindestens einer weiteren beschäftigen musst und Fachwissen in beiden brauchst. Wenn du das bereits hast, dann herzlichen Glückwunsch. Dass du dich in beiden bzw. allen Disziplinen, die für deine Arbeit wichtig sind, auskennst, ist schon mal eine gute Startvoraussetzung.

Denn wenn das nicht so ist, dann musst du mehr Zeit einplanen, um dich fit in der anderen Disziplin zu machen.

Und das kann wirklich richtig viel Zeit kosten. Im Prinzip ist es fast so, als würdest du dieses Fach bzw. zumindest den Ausschnitt, der für dich wichtig ist, noch einmal autodidaktisch studieren und dir beibringen.

Der Blick über den Tellerrand macht noch keine interdisziplinäre Promotion aus

Es ist übrigens gerade bei geistes- und sozialwissenschaftlichen Arbeiten ganz normal, dass du z.B. für deinen Forschungsstand auch schaust, welche Ergebnisse andere Fächer hervorgebracht haben, was es für Studien in anderen Fächern gibt.

Aber nur, weil du ab und zu über den Tellerrand blickst, schreibst du noch keine interdisziplinäre Doktorarbeit. Interdisziplinär ist sie dann, wenn du wirklich ein erheblicher Teil deiner Arbeit in verschiedenen Fachdisziplinen verankert ist.

Jetzt aber zu dem Punkt in dieser Episode, der mir wirklich wichtig ist und der auch dazu geführt hat, dass ich ihr diese negativ klingenden Titel verpasst habe.

Warum sehe ich interdisziplinäre Promotionen kritisch?

Weil es meiner Meinung nach einen Widerspruch gibt: Einerseits ist von den Fächern, den Betreuer*innen, den Universitäten durchaus gewollt, dass interdisziplinäre Promotionen angefertigt werden. An der Uni Koblenz-Landau gibt es z.B. sogar ein interdisziplinäres Promotionszentrum.

Andererseits – und das ist der Widerspruch für mich – kommt es aber häufig zu Konflikten und Problemen bei der Betreuung.

Zu Konflikten kommt es dann, wenn deine Doktormutter oder dein Doktorvater sich nicht auf den Teil der Arbeit einlassen kann oder will, der mit dem anderen Fach zu tun hat. Also z.B. weil du eine Methode benutzt, die in dem Fach, in dem du deine Promotion angemeldet hast und aus dem du ursprünglich stammst, so nicht üblich ist.

Und daraus ergibt sich dann gleich noch ein weiteres Problem: Wenn deine Betreuung sich selbst mit der Methode (der Theorie etc.) nicht auskennt, dann kann sie oder er dir auch nicht weiterhelfen, wenn du an Punkte kommst, an denen du etwas Unterstützung und Feedback gebrauchen könntest.

Klar, es gibt Wege, das abzufedern.

Z.B., indem du dir eine Zweitbetreuer*in aus der anderen Disziplin suchst. Und indem du den Austausch suchst, z.B. indem du zum Beispiel Konferenzen der anderen Disziplin besuchst. Und dort auch selbst Vorträge hältst und dir Feedback einholst. Aber auch das kostet Zeit und Energie.

Und das Grundproblem bleibt: Es kann dir passieren, dass niemand so richtig versteht, was du da machst

Denn auch mit deiner Zweitbetreuerin kann dir das Gleiche passieren wie mit der Erstbetreuerin. Sie versteht unter Umständen dein Projekt nicht in der Gänze. Einfach deshalb, weil sie keine Kenntnisse des anderen Fachs hat und eventuell auch nicht offen ist für andere Ansätze.

Das ist jetzt natürlich nicht immer so. Aber es ist eine Problematik, die real ist, die existiert.

Offenheit auf allen Seiten benötigt

Eine interdisziplinäre Promotion erfordert Offenheit von deinen Betreuer*innen. Offenheit, sich auch auf Methoden, Theorien, Herangehensweisen einzulassen, die in ihrem Feld so womöglich nicht üblich sind.

Und wenn du auf diese Offenheit triffst und zudem vielleicht auch noch auf unterwegs auf deiner Promotionsreise Mentor*innen usw. findest, dann kann deine Arbeit natürlich auch wirklich richtig, richtig gut werden. Und du bekommst die Anerkennung dafür, die ihr zusteht. Denn es ist nicht leicht, sich zwischen den Disziplinen zu bewegen und diese miteinander zu vereinen.

Dafür steckt darin auch viel Potenzial. Denn eine interdisziplinäre Dissertation ist natürlich eine großartige Gelegenheit, Themen zu bearbeiten und Antworten auf Fragestellungen zu finden, die sich nicht finden lassen, wenn du innerhalb einer Disziplin bleibst.

3 Takeaways aus dieser Episode

Ich möchte deshalb, dass du drei Dinge aus dieser Episode mitnimmst:

  1. Interdisziplinäre Doktorarbeiten sind herausfordernd und du solltest mehr Zeit für den Forschungsstand einplanen
  2. Bei interdisziplinären Arbeiten musst du dich ggf. auf Spannungen einstellen bei Leser*innen und Betreuer*innen
  3. Es kann passieren, dass dir deine Doktormutter / dein Doktorvater bei inhaltlichen, methodischen oder theoretischen Fragestellungen nicht weiterhelfen kann, weil sie Bereiche tangieren, in denen sie oder er sich selbst nicht auskennen

Wenn du es dir also einfach machen willst und z.B. vor allem für den Titel promovierst, dann rate ich dir ganz klar ab von einer interdisziplinären Promotion.

Wenn du hingegen vor allem aus Interesse an einem Thema promovierst oder aber auch, um in der Wissenschaft Karriere zu machen und dich vielleicht so aufstellen willst, dass du in mehr als einem Fach Kenntnisse nachweisen kannst UND du bereit bist, länger zu brauchen als für eine Arbeit, die innerhalb EINER Disziplin bleibt:

Dann ziehe die interdisziplinäre Promotion in Betracht.

Wobei, noch als kurze Warnhinweis zu dem Karriereaspekt. Es kann dir da natürlich auch passieren, dass du in beiden Disziplinen weniger als Expertin angesehen wirst, als wenn du dich in deiner Dissertation auf eine konzentrierst.

Würde ich es wieder tun? Würde ich wieder interdisziplinär promovieren?

Ja, würde ich. Aber nur, weil mich die Erkenntnisse aus meiner interdisziplinären Doktorarbeit sowohl persönlich als auch fachlich unglaublich weitergebracht hat.

Im Prinzip war es wirklich so, als ob ich in den anderen Bereichen, die ich mir selbst angelesen und angeeignet habe, noch mal ein Studium durchlaufen hätte.

Und daraus haben sich z.B. dann auch Jobmöglichkeiten ergeben, die ohne die Dissertation und das Fachwissen, das ich darin erworben hatte, nicht realistisch gewesen wären. Einen Job habe ich z.B. nur wegen des Themas meiner Doktorarbeit bekommen. Dazu habe ich dir auch schon einmal eine Episode aufgenommen (#66 Dissertationsthema und Berufswunsch).

Abgesehen davon würde ich beim nächsten Mal auf jeden Fall darauf achten, dass ich mich NICHT mehr SOWOHL inhaltlich ALS AUCH methodisch ALS AUCH theoretisch auf Neuland begebe.

Das war, um es kurz zu sagen, wirklich etwas too much. Und es hat mich wahnsinnig viel Energie und Zeit gekostet. Falls ich dich nicht abschrecken konnte oder du vielleicht auch schon interdisziplinär promovierst, habe ich noch einen Extra-Tipp für dich.

Extra-Tipp: Stipendium für interdisziplinäre Arbeiten

Die Andrea von Braun-Stiftung vergibt Stipendien für interdisziplinäre Dissertation. Ich hatte mich damals selbst dort beworben. Damals konnte man sich noch mit jedem Thema bewerben.

Inzwischen gibt es jedes Jahr ein Schwerpunktthema. Dieses Jahr war das „Nachhaltiges Wirtschaften“.

Leider ist die Bewerbungsfrist gerade abgelaufen, aber sie ist immer Ende September. D.h., wenn du den Podcast erst später hörst, dann ist diese Info vielleicht trotzdem noch hilfreich für dich.

Allerdings nur, wenn deine Arbeit wirklich hochgradig interdisziplinär ist. Also du nicht zwei Nachbarsdisziplinen verknüpfst, sondern wirklich zwei sehr unterschiedliche Felder. Das war zumindest die Auskunft, die sie mir damals gegeben haben und das ist nun schon etliche Jahre her.

Das war’s

Das war es wieder für heute.

Falls du schon interdisziplinär promovierst, lass dich nicht unterkriegen. Sondern führe dir vor Augen, wie viel mehr du dadurch lernst, auch wenn es notgedrungen dadurch mehr Arbeit ist.

Und falls du noch am Überlegen bist – überlege es dir gut.

Wir hören uns dann wieder nächste Woche – bis dahin glückliches Promovieren, egal ob du interdisziplinär promovierst oder nicht!

Deine Marlies

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Hallo, ich bin Dr. Marlies Klamt!

Jahrelang habe ich selbst nach einem Weg gesucht, glücklich und zufrieden zu promovieren. Ich musste meine eigene Dissertation sogar 2x schreiben, bis ich ihn gefunden habe. Im zweiten Anlauf war ich nicht nur nach 9 Monaten fertig, sondern hatte die beste Work-Life-Diss-Balance meiner gesamten Promotionszeit.

Heute unterstütze ich Doktorandinnen wie dich durch Coachings, Kurse und meinen Podcast "Glücklich promovieren". Ich glaube fest daran, dass alle Superkräfte, die du für eine glückliche Promotion brauchst, bereits in dir schlummern. Lass sie uns gemeinsam wecken!

Dr. Marlies Klamt